German Transcription: December 17, 1939


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Ihre l.[etzten] Zeilen haben
mich sehr gefreut.
Viele Grüsse und Handküsse von Heinz Rosenzweig [written upside down on top of page]

Brünn, 17ten XII. 1939

Meine Lieben!

7h abends – Wir sitzen noch immer in dem überheizten kleinen
Zimmer der meistens kopfverbundenen armen Schwiegereltern.
Lußinka und Heinzi „verschlingen“ ihr reichliches Nachtmahl. –
Elsa sitzt leider vermummt und klagt ihr bitteres Leid, denn seit
14 Tagen quält sich diese arme, arme und gute Frau mit einer akuten
Gelenk-
entzündung am rechten Oberarm: Gott prüft seine Lieblinge im Feuer..
„Mausele“, sage ich zu meiner Fritzele, „schlüpf in dein dürftiges Winter-
Mäntelchen mit dem fast schäbigen, schmalen Fellkragen. Aber so ist
meine selbstlose Fritzele: Arbeiten, sich plagen von früh bis spät nachts,
aber nicht für sich, nur für andere…. Wie elegante Mäntel mit
reichem Pelzbesatz haben meine Töchter, denke ich in diesem Augenblicke,
und du, mein herrliches Weib, kaufst lieber deinem „Hugolink“ eine
gestrickte
Weste, welche heute nicht nur großen relativen sondern auch hohen
absoluten
Wert hat. Aber so ist diese edle, altruistische Natur: Für sich ein Leben voll
Mühen und Sorgen, für andere den Himmel auf Erden vorzaubern - - -.
Welch herrlich Leben könnte sie führen, wie viel reiche und angesehene,
vornehme Bewerber bemühten sich diesen „Schatz“ heimzuführen. Wenn
sie aber mich “unbekannten Makkabäer” auserkoren hat, wenn es also
mir der große Wurf gelungen, „diese Blume zu brechen“ ; so muß ich dafür
dem allgütigen Schicksal danken, welches so romanhaft die Bekanntschaft
ver-
mittelte. Es entbehrt auch nicht einer gewissen pikanten Romantik, daß
Fritzele fast die Schwägerin deiner so liebenswürdigen Frau Hofrätin
geworden
wäre. Folgende Zeilen sollen aber nicht ein Brüsten, ein Renomiern
bedeuten, sondern ein Beitrag zu des „Lebens labyrinthisch irrem Lauf.“
Die in Gott ruhende Schwester nämlich deiner zu unserer Mutti so
liebenswürdigen
Nachbarin, war nämlich eine der besten Freundinnen meiner herzlichen
Fritzele —

























Seite II.



und nicht nur die allwöchentlichen Seancen im Kaffee „Esplanade“ sondern
auch die zahlreichen Besuche in
Fritzeles herrlicher Wohnung befestigten und vertieften diese reine, auf
Harmonie zweier vornehmer
Frauen-Seelen beruhende innige Freundschaft. Die Verewigte war auch
nach dem Tode des armen
Hugo Fränkel, dieses viel zu früh und nach schwerem Leiden Verstorbenen,
eine treue Trösterin und tief
mitfühlende Freundin während der gar so schweren Trauerjahre… An
demselben Tage, als die deutschen
Truppen hier einmarschierten, trug man diese arme Frau hinaus nach
Julienfeld – Es war damals ein
schreckliches Wetter; am Friedhof stapfte man bis über die Kniee im
kotigen Schnee. Tiefste Trauer und
Niedergeschlagenheit ob dieses düsteren Hintergrundes erfüllte die
verzweifelten Gemüter der spärlichen
Begleiter beim letzten Gange.... Selbstverständlich befand sich auch meine
treue Fritze-le unter den Trauer-
gästen – Auch heute besuchten wir trotz Kälte und Schneegestöbers unter
anderem auch das Grab der Frau
Maria Mayer; dasselbe ist bereits von schönem Granit umfriedet und dürfte demnächst der Stein gestellt
werden - -
Aber auch der durch seinen zündenden Witz und heitere Geselligkeit
bekannte Herr Oberstaatsrat Mayer
schätzte meine intelligente und sonst so lebens-heitere Fritzele; aber diese
Gefühle der Wertschätzung
und Verehrung beruhten auch auf Gegenseitigkeit. - - - Und ich weiß nicht,
wieso nichts „draus-
geworden“ ist, nachdem von verschiedenen Seiten die Fühler ausgestreckt
wurden ~~
Ich schreibe die Fortsetzung bei den Eltern, in großer Gesellschaft. Bei uns
zuhause ists nämlich
nicht so warm und wir heizen seit drei Wochen nicht, nur ab und zu den Petroleumofen in der
großen Wohnküche – Lußinka und Heinzile kamen soeben von einem
Spaziergange und
hat sich Lußinka bereits drei große Marmeladebrode [sic!] vorgelegt.
(So??) hätte sie bei dir, teure Schwester [?]
so gesunden Apetitt [sic!] entwickelt! Sonst einstweilen alles beim Alten
und wohlauf.

Pussi eur Hugo

Wegen Platzmangel nur herz.[liche]

    Grüsse von Tante Else


    Meine Liebsten, ich weiss nicht, wie ihr den Geisteszustand meines
    Hugole nach seinen obigen Zeilen beurteilen werdet, ich glaub er
    ist nicht ganz normal !! Ihr werdet einmal vom Gegenteil sehr
    unangenehm überrascht sein, darauf will ich Euch schon heute
schonend
    vorbereiten. Wir sind glucklich und zufrieden und das ist die
    Hauptsache in dieser schweren Zeit. Mit Euren Zeilen freuen wir uns
    jederzeit. Bleibet recht gesund, und innig geküsst von

Eurer Fritzi

    Diese Chuzpeh! 14 Tage Streick . . . .

Viele 1000 Küsse von Anny


Transcription by Janina Wurbs

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