December 10, 1944 - February 10, 1945

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M. Nadel’s Studio

Exclusive Portraiture

366 Oxford Street, Woollahra, Sydney


Phone: FW 5798

10th Dez. 1944

Geliebter Bruder, Carla u. Michi!

Deinen l. ausführlichen Brief vom 12th September mit großer Freude erhalten u. bin ich sehr glücklich, daß Dich mein ausführl. Brief erquickte u. Du endlich einmal mit mir zufrieden bist. Ich will mein Bestes tun u. heute wieder ausführlich zu sein, denn nach so langer Pause meinerseits, habe ich dir ja vieles zu sagen.

Wir sind so überhäuft mit Arbeit, daß ich gezwungen bin, von 6U früh morgen, bis spat abends zu arbeiten u. noch dazu um den Haushalt zu kümmern, ich habe zwar eine Bedienerin die jeden morgen auf 3 Stunden kommt, aber nicht Sonntags & Samstags u. auch nicht kocht, und gerade Samstag ich unser schwerster Tag; vormittags großer Kundenverkehr u. nachmittags manchmal 10‐14 Hochzeiten mituner stehen vor unserem Geschäft 12‐16 Cars, aber den Leuten macht nichts das warten sie wollen eben unsere Arbeit, zahlen oft den Cardriver1 einige £ wartezeit.

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[Seite 2]

Ich habe vor 14 Tagen den Brief begonnen aber ehe der l. Miron mich mitten im Briefschreiben gezwungen hat mit ihm an die Beach zu gehen leider geht er keinen Schritt allein oder soll man sagen Gott sei dank. Mittlerweile hat sich bei uns verschiedenes ereignet, zwar ist unser lieber Truderl auf 2 Monate Holyday nach Hause gekommen und wir sind so glücklich sie bei uns zu haben u. möchten unser einziges Kind am liebsten ganz Hause haben. Das zweite große Glück ist, daß wir nach langem Suchen u. warten ein sehr schönes modernes Flat bekommen haben, hat mich zwar viel Nerven u. Mesummen gekostet aber es hat sich gelohnt Endlich leben wir wieder wie Culturmenschen u. Trudi ist so happy to have her eigenen room. Das Flat ist nur 5 minuten von der Beach entfernt u. gehen wir nun mit dem Badeanzug u. blosfüssig zu der herrlichen Bondi Beach. Wir haben auf 10 Tagen bis nach dem neuen Jahr das Geschäft geschlossen u. erholt sich der der l. Miron unberufen sehr gut. Hier ist in der größten Hitze immer ein kühles Winderl u. schlaft mein gutes Mannerl sowie wir alle bedeutend besser hier. Alle Leute bewundern wieder einmal meine Tüchtigkeit u. schauen uns an wie ein Wunder, daß wie in Flat bekmmen haben. Die Hauptsache ist, daß wir Glück inderselben haben u. gesund bleiben. –Amen! Sollte ich eine Hausmaide finden, will ich Trudi nicht mehr wegschicken, leider ist für mich kein Ersatz im Geschäft der ansonsten würde ich es wie Carla machen u. mich ganz dem Kinde u. Haushalt widmen.

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[Seite 3]

Fortsetzung 10th Feb. 1945: Ja ich muß mich wirklich schämen u. dich vielmals um Entschuldigung bitten, daß ich erst jetzt den langversprochenen Brief fortsetze. Ich konnte wirklich nicht, da ich große Sorgen wegen l. Miron hatte, er nahm plötzlich [1 kp ab ?] u. bekam eine strenge Diät vorgeschrieben er war bei 4 Arzten [unsere Leute?] Einer sagte er hat zuviel Säure, der andere meinte er hat wieder zuwenig u. da er sehr zu Hipochondrie leidet bildete er sich ein, er ist schwer krank u. machte mir schrecklich Angst—denn er sagte mir, ich glaube du wirst bald Witwe werden, denn er glaubt bestimmt er hat Krebs u. die Doktore verheimlichen ihm das. Die Arzte ließen ihn kommen noch u. noch, leider gibt es wenig anständige hier, bis ich ganz energisch eine Röntgenaufnahme verlangte, die zum größten Glück gar nichts gezeigt hat. Es war eben nur seine schwachen Nerven und seit er den Befund selbst gelesen hat, ißt er wieder alles u. schaut wieder gut aus! Er bekommt auch Injektionen für Besserung der Nerven u. so Gott will [next word crossed out and made illegible] wir auf 2 wochen Urlaub am 9th March ins Gebirge u. überlassen in dieser Zeit unseren untüchtigen Personal die Geschäftsführung über. Miron will nicht allein fahren, kostet uns eben der Urlaub mehr. Gesundheit ist wichtiger. Unser l. Kind hat sich gut erholt; Ich hab eine jüdische Frau aufgenommen die jeden Tag auf 3 Stunden an die Beach geht u. sie liebt die hohen Wellen so sehr. Nächste Woche führe ich sie schweren Herzens in Boarding skool [sic] sie freut sich wieder auf die Abwechselung.

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[Seite 4]

Habe alle deine l. Briefe sowie gestern deinen letzten Brief vom 29tn. Desember erhalten u. bin ich dir so dankbar, daß Du so oft schreibst u. Dir es Gottlob etwas besser geht. Dein Telegram halten u. freue ich mich so sehr mit Dir u. l Carla, daß Ihr ein gesundes Töchterchen bekommen hab u. ich wünsche dem geliebten Baby “Bertha“ alles alles Glück auf der Welt, ich bin so glücklich daß Ihr den Namen unserer herrlichen edlen Mutti gegeben habt. Ich hoffe auch, daß ich hören werde die Stimme von l. Max, noch hatten wir im neuen Flat bis jetzt keine Hochantenne, denn die Arbeiter sind alle überhäuft mit Arbeit, aber es hat uns einer für nächste Woche zugesagt. Gestern habe ich im Herald hier gelesen, daß 1000 Juden in Theresienstadt entlassen worden sind, Gott gebe es, daß darunter unser geliebter Bruder Hugo mit seiner Familie darunter ist. – Es bricht mir das Herz, daß so wenig Hoffnung besteht unsere edle teure Schwester Gisa sowie teuren Vatti im Leben wieder zu sehen. Für unseren lieben schlauen Siegl habe ich die bestimmte Hoffnung, daß er sich irgendwie gerettet hat Gott lasse es wahr sein. Wir haben hier leider gar keine Verwandten u. fühlen uns manchmal sehr einsam. Ich freue mich, daß der l. Gustl Euch manchmal besucht u. es ihm so gut geht er verdient es auch.


[End of Letter — written at the top of the page in the blank space around the printed letterhead]

Es freut mich, daß auch die l.Schafer Fam. so gut zu euch ist. Es ist schon spät abends u. ich fühle mich sehr müde. Schreibe dir von nun an jede Woche eine Postkarte. Hier sind nur mehr wenige Amerikaner u. dadurch macht die Bank Schwierigkeiten Geld zu schicken. Aber ich hoffe wieder Glück zu haben, will tun mein Bestes damit; ich weiß wie dringend Du es brauchst. Nochmals alles Gute mit vielen Küssen von uns allen Eure Schwester u. Tante Anny

 

Transcription by Timothy Mendenhall, digital archivist of Leo Baeck Institute, NYC., with a few additional decipherments of Anna’s words by P. Jellinek, based on close examination of Anna’s handwriting.

Footnotes

1. Anna’s slippage into English here and on the bottom of p.3, with her use of “Beach” and “Boarding skool,” as well as her mixing English with German on p.2: ”Trudy ist so happy to have her eigenen room,” “Das Flat” and “Haus maide,” reveals Anna’s growing absorption and use of the English language. She may also have been conscious of the fact that by this time, Karl and Carla would be able to understand her mix of German and English.