German Transcription: April 16, 1947

 

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State Mutual Life Assurance Company of Worcester Massachusetts
Incorporated 1844




Karl Jellinek
Insurance broker
The Julius Selling Agency
15 Park Row
New York 7, N.Y.
25 Broad St.
New York 4, N.Y.
Hanover 2 – 9668

NY 16.4.47
        Meine geliebte Gisa.
    Deinen Brief vom 9tn März erst heute erhalten und beeile ich mich
Dir am selben Tage zu antworten, weil ich fühle, daß Du auf ein Schreiben
wartest, welches Dich über alles, was uns genommen [?] ist, informiert.
    Es ist 11 h nachts, Carla ist mit Frau Faß, der Witwe von Ludwig Faß
zu einem Meeting der „Hadassah1" gegangen, meine 3 Töchter schlafen süß – ich
habe der jüngsten soeben das Milchfläschchen gegeben und ein bischen auf
Händen getragen, da sie unruhig war – Ich habe nun die nötige Ruhe und
Sammlung, um mit Dir zu plaudern.
    Das war wirklich eine Überraschung und eine freudige dazu, von Dir
zu hören, daß Du eine Cafeteerin [?] bist. Ich wünsche Dir und Lazi guten Erfolg
und mein sehnlichster Wunsch ist, bald in der Lage zu sein, Euer Gast zu
sein. Ich bin wirklich stolz auf Lazi und Dich und bitte Dich, mir
alles ausführlich und im Detail zu schildern. Ich hoffe nun, daß sich
die Männer gut verstehen und vertragen, wozu der Umstand sicherlich
beitragen wird, daß die Frauen nicht dabei sind. Ich weiß aus meiner
Erfahrung als Anwalt, daß Frauen imstande sind, in das beste Verhältnis
einen Mißton zu bringen.
    Habe vor einigen Tagen einen Brief von Sidney bekommen, der
mir große Freude bereitet hat, da der Zustand von Max sich bedeutend
gebessert hat und Erich schon fleißig im Geschäft von Miron arbeitet.
Er macht schon selbständig Paßaufnahmen und sind alle sehr
zufrieden mit ihm. Wie Max schreibt, er hat Leben in die Bude gebracht
und sogar Miron ist glücklich mit ihm. Er hat den Humor und die
Nase von Siegfried, die Sparsamkeit von Hirschensohns, eine glückliche
Mischung. Stella ist heute in Melbourne angekommen und hoffe ich,
daß jetzt alles gut gehen wird, nachdem beide gelernt haben werden,
daß eine Diktatur in der Ehe von einer Seite unmöglich ist und
jeder Teil ein bischen nachgeben muß. Anna benimmt sich wunderbar
und ist wie eine Mutter zu Max und Erich.

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    Daß Stella sich von Euch nicht verabschiedet hat, führe ich auf
die besonderen Verhältnisse bei Euch in Erez zurück. Ich nehme an,
daß sie Euch bald schreiben wird.
    Was Du schreibst über die Zustände in Erez ergänzt meine Kenntnisse
die ich aus Berichten kenne. Soeben höre ich, daß dieser Held Gruner2
mit 3 anderen hingerichtet worden ist. Hier ist bei allen Juden große
Trauer und die zion. Bewegung wächst von Tag zu Tag hier. Ich bin sehr
aktiv und auch Karla arbeitet sehr gut für die Hadassah, wenn und
soweit ihr die Kinder Zeit lassen. Meine Kinder sind sehr brav und
Gott gebe, daß Du sie persönlich sehen kannst. Die Leute bleiben
auf der Straße stehen und bewundern die Kinder, besonders Roberta,
die nach meiner seligen Mutter genannt ist. Ich erinnere mich, wie Du
einmal geschrieben hast, daß Du ihr so dankbar bist, daß sie Dich
zum Kochen und zum Haushalt angehalten hat und wie Dir das
in Erez zu Gute gekommen ist. Wie schön wäre es, wenn Deine Schwestern
und unser geliebter Hugo auch dort sein könnte. Leider waren sie
hartnäckig, sowie3 Erich und befolgten nicht meinen Rat, nach Erez
„illegal" zu gehen. Wie vieles wäre uns allen erspart geblieben und
welches Glück wäre es für Dich gewesen. Wie glücklich wäre ich gewesen,
auch für Deine Schwestern alles zu tun, um sie nach Erez zu bringen.
Hier ist ökonomisch eine Depression und auch politisch schaut es
nicht gut aus, was sich teilweise auch bei mir auswirkt, obwohl
es schon bedeutend besser geht als letztes Jahr.
    Nun habe ich und Karla eine große Bitte, die mir sehr am Herzen liegt.
Max Eckstein in Tel Aviv ist schwer krank und benötigt Hilfe. Er ist nicht
in der Lage, etwas zu verdienen und die Situation ist scheinbar
verzweifelt. Ich bitte Dich, nehme Dich seiner an, betrachte es, als ob Du
mir helfen würdest. Ich glaube, daß Du ihn sofort besuchen sollst
und bin ich sicher, daß Du alles tun wirst, was in Deiner Macht steht
diesem braven Jungen wieder auf die Beine zu helfen. Du würdest
nicht nur eine große Mizweh4 machen, sondern auch Karla und
mich glücklich machen, wenn ich weiß, daß Du Dich seiner
von ganzem Herzen annimmst. Soweit ich die Sache beurteilen kann,
braucht er eine gründliche Behandlung in einem Spital oder
Erholungsheim. Bitte lasse Dich von seiner Feinfühligkeit nicht
abschrecken, sage ihm, daß Du über meinen Auftrag handelst.
    Hoffe von Dir bald zu hören. Viele Grüße an Lazi
        Dein treuer Onkel Karl

 

Transcription by Brigitte Balkow and Ursula Eckelmann of Sütterlinstube, Hamburg, Germany, of Letter from Hugo Jellinek, in Brunn, Czechoslovakia, to Gisela Nadja Jellinek, in Rishon Le Zion, British Mandate Palestine, July 10, 1939

Footnotes

1. vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Hadassah

2. Dov Gruner wurde am 16.4.1947 hingerichtet – vgl. https://books.google.de/books?id=nxo-DwAAQBAJ&pg=PT292&lpg=PT292&dq=1947+hingerichtet+gruner&source=bl&ots=vjBX4KAeyW&sig=Mg4OXpx01edF9eWxit6lLNs2H0g&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwid5rKZsoLbAhWB3iwKHaxEDfUQ6AEISjAM%2523v=onepage&q=1947%20hingerichtet%20gruner&f=false#v=snippet&q=1947%20hingerichtet%20gruner&f=false, sowie https://en.wikipedia.org/wiki/Dov_Gruner

3. so wie

4. gute Tat – vgl. Kl. Lexikon deutscher Wörter jiddischer Herkunft von H.O. Althaus, S. 145, Leseprobe online bei https://books.google.de